Rückblick - Zappanale #21


Zappanale #21

Bilder von der Zappanale #21

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» Zappanale #21

Zappanale - You'll love it, it's a part of life!
 
Völlig tot - aber überglücklich, so bin ich zuhause angekommen.
Liebe Gäste, Mitarbeiter, Freunde, Freaks und Sofastainers, daswar geil. Ihr alle habt zu einer bombastischen Zappanale beigetragen.Danke an Euch Alle!!!!
Das macht Spass und Hoffnung für die Zukunft - wir sehen uns wieder 2011.
Music is the best!
T.D.

 

Ein Rückblick von Volkmar Mantei

Zappanale 21 vom 13. bis 15.08.2010

Ins kollektive Gedächtnis der Zappanalisten wird Numero 21 wohl als die ‚Regenauflage’ eingehen. Das seine jährliche Wiederkehr in einer Mischung aus gemütlicher Gelassenheit und ausgelassener Hingabe feiernde Publikum ließ sich von Wettervorhersagen nicht abhalten, drei Tage ‚music and more’ ausdrücklich zu genießen.

Den Auftakt machte bereits am Dienstag das Eröffnungskonzert in der St. Katharinen-Kirche in Hamburg: „Zappa spielt Bach“. Davon gibt es aus den vorherigen Jahren bereits CD-Auflagen, dieses Jahr gab das finnische Ensemble Ambrosius, das sein zauberhaftes Set auch in Bad Doberan zelebrierte, gemeinsam mit Napoleon Murphy Brock das Benefiz-Konzert. Einen Tag darauf, am Mittwoch, spielten Bands im Bad Doberaner Kamp-Theater, Filme wurden gezeigt, Jim Cohen moderierte eine lockere Talkrunde mit Napoleon, Ike Willis, Denny Walley, Ray White und Robert Martin – den geladenen Gästen, Weggefährten Zappas, die im späteren Festivalverlauf mit der einen oder anderen Band auf beiden Festivalbühnen standen und spielten. Donnerstag: Konzerte, Film, Lesung, Session im Kamptheater. Weiteres ‚Extra Event’, wie es im Programmheft des Festivals genannt wird, war Jim Cohens „Outside Now – Joe’s Garage and The Future“ – wer erst zum Freitagabend anreisen konnte, verpasste also bereits einiges – und nicht nur mit Jim Cohens Vortrag ein entscheidendes Event.

Zwei Bühnen – Main und Truck Stage – teilten sich die Aufmerksamkeit der Festivalbesucher mit unterschiedlicher Prägung. Während die Main Stage die ‚großen’ Gigs abfeierte, gab es auf dem Truck Jam-Sessions, knochentrockenen Avantgarde Rock, Ausgefallenes aller extravaganten Art und weitere Beiträge von Hauptacts.

Das Festivalgelände, sich im zweiten Jahr rechts neben der Trabrennbahn lang hinziehend, angenehm aufgebaut, mit allem, was das Festivalbesucherherz begehrt (LP- und CD-Stände, Kleidung, Devotionalien, Futter, Getränke, Getränke, Getränke usf.), Dixie-Klos für Umsonst und Bezahltoiletten für den gepflegteren Abgang, und, UND: zum ersten Mal ohne Zirkuszelt. Doch wer zuerst etwas bedröppelt blickte, konnte sich bald einer Verbesserung erfreuen, die entscheidend zum Konzertgenuss beitrug: die Bühne stand nicht, wie im Jahr zuvor, Schallrichtung gen Ostsee, sondern gen Bad Doberan, vor ihr, der Publikumsbereich, hob sich an und oben, auf erhöhter Position, zog sich ein weißes Zelt über breiten Raum, so dass ein Jeder, ob nah der Bühne oder weiter entfernt, einen ausgezeichneten Blick auf die Shows hatte und jede Performance perfekt sehen konnte. Die gemütlicheren Fans in ihren lässig-bequemen Gartensesseln pflanzten sich an den Rand des Zeltes (zwei Bierwagen standen zu beiden Seiten dicht dabei) und das sich davor aufstellende Auditorium ließ sich über Köpfe (Glatzen und Zöpfe) blicken und alle waren es zufrieden.

Das Programm war fein sortiert und hatte ungeahnte Schätze in petto, was das Hochgefühl der zuschauenden Meute positiv entwickelte. Nach LiLo’s Zapmospheres erfrischendem Solo-Auftakt folgten die Jazzhunde, die feste Institution des Festivals. Kaum Zappa im Programm. Aber feinsten, grandiosen Jazzrock. Illuster und satt. Immer wieder bitte!

Bongo Fury rockten 60s und 70s Zappa in Triobesetzung rasant und heftig ab. Beardfishs Rikard Sjöblom – der am Samstag noch mit seiner feinen Progressive Rockband auf die Bühne stiefelte – legte sich mit Rasmus Diamant (b) und Petter Diamant (dr) heftig und exzellent ins Zeug. Die Qualitätsmarke war gleich von Anfang an hoch angelegt. Die Offizielle Eröffnung folgte, Begrüßung des Publikums durch die Chefabteilung, sodann das Ensemble Ambrosius mit folkloristischem Zappa, fein arrangiert mit Verve und Intensität gespielt. Napoleon Murphy Brock – der in den drei Tagen immer wieder einmal ein Bad in der Menge nahm und die Aufmerksamkeit gelassen genoss – trat als Kleiner (Großer!) Muck verkleidet vor die Band und die zweite Konzerthälfte über gehörte er untrennbar zur Band. Fabelhaft!

The Muffin Men vorzustellen, heißt Eulen nach Athen zu tragen und dahin wird derzeit genug anderes transferiert, so dass ich nur sage: endlich mal wieder! Eine der Top-Bands Europas, die Zappa mit britischem Humor und allerlei Schnipselware aus der Rockgeschichte unterhaltsam performt. Und schließlich, auch schon ein alter Bekannter, Paul Green. Dieses Mal mit der ‚band of monkeys’, ehemaligen Schülern, mit denen er Rockklassiker von Led Zeppelin über Jethro Tull und Rolling Stones bis in die aktuelle Rockszene spielte. Zwischen den Konzerten und danach bis tief in die Nacht donnerte die Truck Stage bis weit über den Zeltplatz hinaus abgefahrene Klänge und schräge Performances.

Nacht. Danach begegneten die Ersten den Letzten. Mancher Festivalbesucher absolvierte der Zappatown einen Besuch, nicht nur, um das Denkmal Frank Zappas zu bestaunen und einen andächtigen Moment in Straßenlärmstille zu verharren, sondern auch, um die fabelhafte Ausstellung ‚Zappa und die DDR’ zu erkunden, die mit einem schön aufgemachten Abriss der Zappanale-Geschichte bildreich gekoppelt ist. Links vom Eingang auf großzügigem Raum der Festivalabriss: mit Zappanale-Postern aller Jahre, Arf-Dossier-Auflagen (ab Heft 0 – tatsächlich zu bestaunen!), vielen Bildern, witzigen bis ungeahnten Devotionalien und einem Videobeitrag, der visuell die Geschichte des Festivals nachvollzieht und dabei – wie die gesamte Ausstellung – vor allem das Publikum im Blick hat – da hat sich wohl so mancher wieder erkannt! – umfangreich und gut sortiert aufgebaut ist. Rechts ‚Zappa und die DDR’ – auch hier gibt es einen ausführlichen Videobeitrag, etliches Lese- und Bestaunmaterial, das nicht bei alten Tonbandspulen beginnt und nicht bei Stasi-Auszügen endet. Eine spannende Zeitreise, nicht wissenschaftlich aufgebaut, sondern emotional und doch umfassend, aussagekräftig und beeindruckend.

Samstagvormittag erst einmal Regen. So stoisch der mecklenburgische Landregen grau und trüb vom Himmel fiel, so gelassen nahmen es die Festivalbesucher; bis der Regen zum Beginn der Konzerte schließlich feststellen musste, gegen die innere Ruhe des Publikums verloren zu haben und beleidigt seine Pforten schloss.

‚Orange the Juice’ aus Polen gehören – auch für das geübte Zappa-Publikum – zu den Herausforderungen. Der Mix aus Grindcore, Jazz, Fusion, Ska, Funk, Pop und allerlei ultraschrägem bis heftig komplexem Zeug hat ungemein Rasanz und kippte ständig seine stilistische Ausprägung aus leisestem Moment in harscheste Lärmkaskade. Ironie pur, von technisch erstklassigen Musikern wie ein Betäubungsschlag nicht ohne stete Überraschungen ins Auditorium gebrannt. ‚Caballero Reynaldo’ sagten mir zuerst gänzlich ab, bis ich die spanischen Cowboys samt Cowgirl hörte. So beschwingt und entspannt-fröhlich hat es „The Torture Never Stops“ nie zuvor gegeben – und die handwerkliche Arbeit an zwei Country-Gitarren, lässigem Schlagzeug samt coooooolem Gesang brachte die zuvor aufgekochte innere Anspannung wieder auf den Boden der Tatsachen. Wie gesagt, erste Irritation wich verblüfftem und überraschtem Genuss. Charmante Humoristen!

Und sie waren die beste Basis, die ‚The Central Scrutinizer Band’ aus Brasilien bekommen konnte. In der Folge gab die exzellente Band ein illustres und allerfeinstes Feuerwerk heißblütig intonierter, technisch abgefahrener, rasanter, witziger und vor Spiellust sprühender eigener Versionen der von ihnen zelebrierten Zappa-Kompositionen. Marimba-Versiertheit zum Weinen, Gitarrensoli zum Heulen und die komplette Band zum Auf-den-Arsch-Setzen (mit Verlaub): was für ein unglaubliches Konzert! Damit stand das Highlight des Festivals fest (bislang jedenfalls). Besser mag es vielleicht gehen, braucht aber nicht. Band und Publikum verstanden sich auf der Stelle und der Saxophonist heißt nicht Jackie Chan (wie er lachend versicherte: „all people asking that all the time“).

Beardfish hatten einen schweren Stand. Nach dieser Band, personell umfangreich, satten Sound locker und spielfreudig lässig zelebrierend, kamen die schwedischen Nordwaldseebären-Progressive-Rocker zu viert auf die weite Bühne – und rockten, was das Zeug hält! Gleich noch so ein feines Teil von Konzert rammte sich dem betört Musikschlingenden Publikum ins Gehörgedärm, das es kein Ende nehmen sollte. Danach sterben wär’ nicht schlimm gewesen, was gab es noch zu versäumen? Beardfish mischten Seventies-Hardrock mit mystischen Symphonic Rock Schnörkeln, spielten mit Lust und Verve die komplexesten Partien locker und intensiv und gaben alles. Danach schwitzten sie vom Stiefel bis zum Scheitel und das Publikum brauchte Nahrung, das Gehör wieder auf Vordermann zu bringen.

Es ging Schlag auf Schlag: Daevid Allen folgte mit ‚University of Errors’. Kaum Gong im Programm, eher Avantrock auf später Punk/Alternative-Basis, rotzig, krass, erregend, provokativ, laut. Zappatika brachten Zappa als Spacerock, allein des Sängers Ansagen fielen durch die Aufmerksamkeitsrillen des Auditoriums, das nur eines wollte: Musik.

Die gab es fast die ganze Nacht hindurch. Zwischen den Konzerten auf der Hauptbühne auf der Truck Stage und bis weit in die Nacht hinein mit Endlos-Sessions. Zuletzt trommelten drei Leute ein paar gefühlte Stunden auf dem Drumset herum und meinten, es seien nur Sekunden gewesen.

Restnacht. Die Letzten begegneten den Ersten. Um kurz nach 11 Uhr luden ‚Caballero Reynaldo’ auf der Truckstage zum erneuten Schmunzeln ein. Guter Auftakt. Streicheleinheiten für die aufmerksame Ohrenlandschaft, die noch ein fettes Hörpaket zu absolvieren hatte.

Hauptbühne: LeBocal. Die härteste Konkurrenz zur ‚Central Scrutinizer Band’. Die Big Band Franzosen mit ihrem begnadeten Sänger/Klarinettisten Ernie Odoom zeigte von der ersten Sekunde an umwerfende Spiellaune und selbstbewusste, dem Publikum innig zugewandte Bühnenpräsenz, die sofort ins Blut wie ins Ohr gingen und bis zum gefühlt schnellen Konzert-Ende pausenlos in den Bann zogen. Die Big Band Arrangements waren umwerfend, die Rhythmusabteilung spielte lockeren, deftigen, satten Fusionsound und gab den Bläsern viel gutes Fundament für ausgedehnte Soli. Ernie Odoom weiß seine Stimme einzusetzen, über mehrere Oktaven, locker und stimmsicher, phantasievoll und witzig palavert er pausenlos zwischen den Songs und singt mit einer Inbrunst, die weit übers Zappanale-Festival hinaus Wirkung zu zeigen vermag. Wer sich hier nicht anstecken lässt, ist doof. Oder dieser Klangsprache nicht mächtig. (Weitere Gründe wurden wieder gestrichen.) Und leider hatten sie für die über 4.000 anwesenden Festivalbesucher nur 5, in Worten: „5“, durchatmen, CDs dabei. Also keine.

Nach diesem Konzert, das keinen Gehörgang leer ließ, folgten die Schock-Avantgardisten Sebkha Chott aus selbigem Land. Die Verkleidung der drei Musiker + Performer lud die Fotoapparate zum Einfangen und Verewigen ein, und nicht nur der Schlagzeuger (und nicht DIE Schlagzeugerin) gaben den Augen provokative Nettigkeiten. Wladimir Ohrelianov II machte dem verdutzten und nicht wenig neugierigen Publikum klar, wer der Star des Festivals sei. Nicht dieser Frank Zappa, wer immer das sei, sondern er, Wladimir Ohrelianov II. Das Konzert hatte bereits begonnen, bevor auch nur einer Musiker auf der Bühne erschienen war. Ein stehender Ton bohrte sich ins frisch und munter gequälte Gehör der Fragezeichenzuhörerschar. Bis Mr. Blue auf die Bühne stiefelte, Mund weit offen. Er war für den stehenden Ton verantwortlich. Im Laufe des Konzertes fragte sich so mancher standhafte Zuhörer wohl, was es mit dem Typen auf sich habe und genau das war sohl Absicht. Er stand auf der Bühne, um dem Publikum die Frage aufzudrängen, warum er wohl auf der Bühne stehe – und ob er denn noch etwas mache. Machte er. Kopfbewegungen. Wenige Körperbewegungen, er dirigierte kurz einmal die Band und stand dann wieder im Hintergrund. Mit offenem Mund. Der für den stehenden Ton verantwortlich war.

Als die Band loslegte, merkte wohl ein jeder Festivalbesucher vor der Bühne, dass dies die zweite heftige Herausforderung sei, deren Einladung für den allgemeinen Zweck der betörenden Überraschung sich die Festivalbetreiber die Ehre gegeben hatten. Und vor allem ein Mann stand im Publikum, immer aktiv, immer dabei, still im Hintergrund arbeitend, immer auf der Suche nach neuem Sound, nach Herausforderungen, nach brachialer Musikekstase und schrägster, eigenwilligster Performance: Sale. Huhn auf dem Kopf, Ohren auf hundert Prozent, Grinsen im Gesicht: ENDLICH!!!

Das Filthy Habits Ensemble aus Spanien gab noch einmal alles. Zappa-Kompositionen bekamen die nächste erstklassige Interpretation. Woher kamen auf einmal alle diese grandiosen Hammerbands? (Schweden, Finnland, Großbritannien, Deutschland, Brasilien, Polen, Frankreich, USA.)

Und es war längst noch nicht Schluss. Jean Luc Ponty folgte. In Quartettbesetzung legte der Geigenvirtuose ein illustres Jazzrock-Fusion-Konzert hin, das längst nicht allein seine Präsenz, sondern seine musikalische Arbeit die Betörung des Publikums bedeutete.

(Es gab so viel Gutes, dass ich jetzt mal was Schlechtes sagen will, aber…) das Good-bye legte noch einen Zahn zu und machte müde Ohren wieder munter. Es wollte keine Ende nehmen und nahm es schließlich doch: fast! Die Truckstage! ‚Aufrichtiges Zappa’ jammte weiter und weiter, bis tief in die Nacht, bis die Ohren glühten wie die Instrumente.

Soviel Zappa auf einen Haufen – geht das? Die stilistische Vielfalt und interpretatorische Freiheit der Festivalbands von fast direkter Notenkopie bis zur kaum wieder erkennbaren Version machen Zappas Musik auf der Zappanale in vieler Weise lebendig und beweisen neben der Fülle des gegebenen Kataloges (aus dem für Festivalwochen zu interpretieren ist) das Gespür heutiger Musiker für das Œuvre des grandiosen Komponisten und Musikers und damit seinen weiten, wohl nicht fassbaren Wirkungskreis. (Ich kann nicht anders.)

VM

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